01.02.2025
Rede zum Haushalt der Stadt Kempten 2025

Haushaltsrede von Andreas Kibler, Fraktionsvorsitzender der FREIEN WÄHLER ÜP Kempten.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,
auf 248 Seiten liegt nun ein Haushaltsentwurf vor uns, der es in sich hat. Kosteneinsparungen von über 5 Mio. EUR mussten im Vorfeld der Haushaltsberatungen im Verwaltungshaushalt gefunden werden und im Vermögenshaushalt konnten nur wenige neue und insbesondere laufenden Projekte untergebracht werden. Zahllose schmerzhafte Kürzungen finden sich auf diesen Seiten.

Es ist uns sehr bewusst, dass zur Vorbereitung der Haushaltsberatungen jedes Amt, jede Amtsleiterin jeder Amtsleiter aber auch die einzelnen Sachgebietsleitungen und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in hohem Maße daran gearbeitet hat, vertretbare Kosteneinsparungen zu finden, Vorschläge für einen genehmigungsfähigen Haushalt in die Haushaltsberatungen einzubringen. Dafür bedanke ich mich an dieser Stelle bereits jetzt schon herzlich bei allen Beteiligungen innerhalb der Stadtverwaltung, insbesondere bei allen Referenten und dem Stadtkämmerer Matthias Haugg und Alexander Mair. Mein Dank gilt auch Frau Bürgermeisterin Groll, die ja die allermeisten Sitzungen geleitet hat und Herrn Oberbürgermeister Thomas Kiechle.


Haushaltsberatungen

Mit Ablauf des Jahres 2024 reicht ein Blick auf die Statistiken, um nachzuvollziehen, wie schwierig, zäh und herausfordernd die Haushaltsberatungen für diese Jahr 2025 waren. Zwei Rezessionsjahre in Folge gab es in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr, zwei Jahre hintereinander ist die deutsche Wirtschaftsleistung geschrumpft. Der ifo-Geschäftsklimaindex liegt auch im Januar 2025 deutlich unter dem Wert aus dem Januar 2024. Die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die heimische Wirtschaft sind denkbar ungünstig, die Energiekosten hoch und die Exportchancen schlecht. Während die allermeisten Länder in Europa moderates bis starkes Wachstum erleben, wie beispielsweise Spanien oder Polen, steckt Deutschland in einer der schwerwiegendsten Wirtschaftskrisen, die dieses Land je mitgemacht. Kostensteigerungen, Konjunktur und politische Rahmenbedingungen machen es den Kommunen unfassbar schwer, einen nachhaltigen und finanziell tragbaren Haushalt aufzustellen. Die Nöte der Kommunen scheinen aktuell in Berlin nicht gehört zu werden - hier muss sich dringend etwas ändern.

Trotz dieser Schwierigkeiten stecken wir den Kopf nicht in den Sand und schauen nur auf die Schwierigkeiten. Die Stadt Kempten muss in jeder Situation das Beste aus ihren Möglichkeiten machen und wir erwarten, dass auch eine Verwaltung selbstkritisch daran arbeitet, wie in Kempten Projekte einfacher, schneller und vielleicht auch unkomplizierter vorangetrieben werden könnten. Und da muss ich schon zur Bedenken geben, dass manche Baumaßnahmen oder manches Projekt in Kempten unfassbar zäh und langwierig vonstattengeht, und das hat nicht mit den Rahmenbedingungen allein zu tun.

Vor einigen Wochen hatte ich die Gelegenheit, die wieder aufgebaute Kathedrale Notre Dame in Paris zu bestaunen. Diese abgebrannte Kathedrale in nur 5 Jahren neu zu errichten ist eine sensationelle Bauleistung, die aus Kemptener Perspektive kaum vorstellbar ist.


Renovierung Kornhaus

Ganze 6 Jahre hat es in Kempten gedauert, um das Kornhaus -nicht neu aufzubauen- sondern nur zu renovieren. Innerhalb dieser 6 Jahre sind die Kosten von urspünglich erwarteten unter 5 Mio. auf 26 Mio. EUR explodiert – noch ohne die Kosten für ein Eröffnungs-Bürgerfest. Wir alle wissen, dass sich jedes verstrichene Jahr in den Baukosten bemerkbar macht, die Jahr für Jahr steigen. Vielleicht sollten wir Bürger zum Abschluss der Baumaßnahme ein Schild am Kornhaus anbringen auf dem steht: 


„Hier wurden jene Millionen verbaut, die wir eigentlich für eine neue Grundschule mit Sporthalle und einen Kindergarten in Heiligkreuz dringend benötigt hätten“.


Sanierung Bachtelweiher

Ein ähnlich zäher Fall ist die Sanierung des Bachtelweihers. Obwohl die Sanierung seit Jahren diskutiert, zugesagt und angekündigt wurde, sollen nun erst in diesem Jahr die ersten Schritte erfolgen hin zu einer besseren Qualität des Wassers, zu einem besseren Hochwasserschutz und zum Erhalt des Bachtelweihers als Gewässer für die Naherholung der Bürgerinnen und Bürger gemacht werden.

Wir FREIEN WÄHLER stehen voll und ganz hinter einer Sanierung des Bachtelweihers. Die langen geplanten Absetzbecken müssen nun endlich errichtet werden um den Sedimenteintrag zu minimieren. Wir drängen auf eine zeitnahe Umsetzung in diesem Haushaltsjahr, denn auch zugesagte Fördermittel sind bisher nicht abgerufen worden. Ich bin mir sicher, dass viele Bürger auf die Umsetzung der ersten Sanierungsschritte warten. Die finanziellen Mittel für die ersten geplanten Baumaßnahmen dafür sind im Haushalt 2025 enthalten.


Polleranlage

Nicht nur ärgerlich, sondern auch sicherheitsproblematisch ist noch eine andere Investition der Stadt Kempten, die zum einen viel Geld verschlungen hat und zum anderen viele Bürgerinnen und Bürger nur noch Kopfschütteln auslöst. Die eingebauten Poller in der Kronenstraße sind aktuell nicht nur defekt und außer Betrieb; sie haben auch einen hohen Schaden an einem Nahverkehrsbus verursacht. Die Poller stehen uns aktuell nicht zur Verfügung und jetzt kommt noch der größte Frust: Gegen Angriffe terroristischer Art, gegen Amokfahrten zum Schutz des Weihnachtsmarktes oder Stadtfestes sind die eingebauten Poller weder geeignet, noch zugelassen. Daher müssen bei Stadtfest oder Weihnachtsmarkt zusätzliche Betonbarrieren aufgefahren werden. Davon gibt es ganze 45 Stück in Kempten, die auf- und abzubauen sowohl Zeit als auch Geld kosten. Darüber hinaus sind die Betonklötze in der historischen Altstadt alles andere als ein städtebauliches Aushängeschild. Schnellstmöglich muss es zu einer Reparatur und Wiederaufnahme des Betriebs der versenkbaren Poller-Anlagen kommen.


Geplante Bushaltestelle mit Radweg in Leupolz

Und hier noch ein weiteres Kemptener Negativ-Beispiel: Die geplante Bushaltestelle mit Radweg in Leupolz. Hier muss ich schon mal die Frage aufwerfen, welche Rolle die Anlieger-Familie des Stadtrates Tobias Hiepp spielt? Sie sitzt bereits in zweiter Generation im Bauausschuss und ist nicht in der Lage, sowohl dem eigenen Oberbürgermeister als auch der eigenen Dorfgemeinschaft zu helfen, mehr Sicherheit für die Schulkinder und Bürger in Leupolz durch einen Fußweg neben der Hauptstraße herzustellen? Es fehlt nur ein schmaler Streifen Grundstück entlang der Durchfahrtsstraße, und wir sprechen nicht von bewirtschafteter landwirtschaftlicher Fläche, sondern von einem ungenutzten Grundstücksrand, um eine vernünftige Fuß- und Radwegeverbindung herzustellen. Ohne diesen Streifen Land kann nur eine minimale Notlösung entstehen. Als Stadträte sind wir dem Wohl der Allgemeinheit verpflichtet, haben einen Eid abgelegt und trotzdem sehe ich nicht, dass sich in Leupolz etwas bewegt.

Die Planungsmittel für den sicheren Ausbau der Straße sind im Haushalt eingestellt, ich hoffe sehr, dass es bald zu Verbesserungen für die Bürgerinnen und Bürger in Leupolz kommt.


Bürgernahe Kommunalpolitik

Im Rahmen der Haushaltsberatungen fielen immer wieder zwei Begriffe, die für mich gerade kein Gegensatz sind: „Kommunale Pflichtaufgaben“ und sogenannte „Freiwillige Leistungen“. Hier muss ich in aller Deutlichkeit klarstellen, dass gerade die sog. „Freiwilligen Leistungen“ in einer glasklaren Abhängigkeit stehen und zwar zur Beschlusslage des Kommunalparlaments. In dem Moment, wo es eine politische Mehrheit, einen Mehrheitsbeschluss gibt, gilt die Erbringung der Leistung für die Verwaltung als verpflichtend umzusetzen, und damit als Pflichtaufgabe. In der kommunalen Selbstverwaltung wissen die Rätinnen und Räte, was für das Zusammenleben in der Stadt notwendig ist. So funktioniert Demokratie und bürgernahe Kommunalpolitik.


Theater Kempten

Uns als FREIE WÄHLER hat es daher sehr verwundert, dass die Sparvorgaben des Oberbürgermeisters gegenüber dem Theater in Kempten in einer Größenordnung erfolgten, die einen Weiterbetrieb mit eigenem Ensemble unmöglich gemacht hätten. Dabei ist es unbestritten, dass eine Mehrheit in diesem Gremium einen Betrieb des Theaters in Kempten mit Ensemble beschlossen hat und auch zukünftig will. Für die FREIEN WÄHLER steht fest, dass der Theaterbetrieb in Kempten nicht gefährdet werden darf. Wir haben großes Verständnis für die Online-Petition zum Erhalt des TIK, bei der sich immerhin 8149 Personen für das TIK eingesetzt haben. Das Ausgleichen der gestrichenen Finanzmittel durch Haushaltsreste kann und darf nur eine einmalige Notlösung sein und unser Antrag auf eine ausreichende Finanzierung des Theaters war alles andere als überflüssig. Für das kommende Haushaltsjahr muss wieder Planungssicherheit hergestellt werden und eine – zwar reduzierte – aber für den Weiterbetrieb des Stadttheaters ausreichende finanzielle Ausstattung gewährleistet sein. Nur auf mögliche Zuschüsse der kommunalen Unternehmen zu hoffen, wird dem Theater keine Planungssicherheit geben.


Mitgliedschaft im Zweckverband Landestheater Schwaben

Passend dazu können wir FREIEN WÄHLER es nicht nachvollziehen, wie ein aus der Zeit gefallener Knebelvertrag uns die Mitgliedschaft im „Zweckverband Landestheater Schwaben“ in Memmingen vorschreibt und das TIK jetzt erst wieder rund 70.000 EUR (!) Kemptener Finanzmittel an ein Memminger Theater überweisen musste, das jedoch als Landestheater eine deutlich bessere finanzielle Ausstattung hat, während diese Mittel bei uns im Stadttheater dann fehlen.

Öffentlich auszusprechen, dass ein Austritt aus dem Zweckverband für Sie Herr Oberbürgermeister grundsätzlich nicht in Frage komme, schwächt die Kemptener Verhandlungsposition leider massiv. Ich appelliere an Sie, alles daran zu setzen, diesen Knebelvertrag zeitnah zu reformieren.


Kempten Museum

Ebenso obligatorisch für die Stadt sehen wir es, mit dem Kempten Museum eine Anlaufstelle für historisch und kulturell interessierte Bürger und Touristen anzubieten. Dieses Kempten-Museum ist aktuell aufgrund der personellen Ausstattung und Brandschutzvorgaben sowohl am Montag als auch am Dienstag geschlossen. im Rahmen der Haushaltsberatungen haben wir in einem Antrag die Anpassung des Brandschutzkonzeptes gefordert um wieder zu den ursprünglichen Öffnungszeiten zurückkehren zu können. Es muss doch mit den heutigen technischen Möglichkeiten möglich sein, dass 3 Aufsichtspersonen ausreichen, um die Sicherheit und den Betrieb des Museums unter der Woche zu gewährleisten und nicht wie derzeit verpflichtend 4 Personen parallel eingesetzt werden müssen. Auch bei knappen Mitteln muss das Stadtmuseum angemessene Öffnungszeiten haben.


Sportförderung

Eine gesellschaftliche Pflichtaufgabe ist in unseren Augen auch die Sportförderung. Nach Jahren des Hin- und Her befindet sich nun endlich eine Dreifachsporthalle an der Lindauer Straße neben dem Hildegardis-Gymnasium im Bau. Jede Woche sehe ich schulklassenweise die Kinder zum Allgäu-Gymnasium oder zum Königsplatz laufen, weil es an vielen Schulen nicht genug Hallenkapazitäten gibt. Diese Dreifachsporthalle ist lange gefordert, dringend benötigt und wir haben stets Kurs gehalten, auch wenn es von Seiten der Verwaltungsspitze immer wieder Versuche gab, das Projekt „Dreifachsporthalle“ auf Eis zu legen. Ein früherer Start des Baus, direkt nach dem Wettbewerb hätte viele Baukostensteigerungen der vergangenen Jahre erspart.

Erfolgreich abgeschlossen sind die Neubauten der Kunstrasenplätze in Heiligkreuz und am Illerstadion. Diese beiden ganz wichtigen Maßnahmen kommen über 30 Jugendmannschaften und auch den Stadtteilen zu Gute.

Leider wird der Cambodunum-Cup im Jahr 2025 wegen Mittelkürzungen im Haushalt nicht stattfinden, obwohl eigentlich ein neues Veranstaltungskonzept angedacht war. Das bedauern wir sehr und hoffen auf einen neuen Weg, diese Tradition und dieses Sportfest für Kempten im Jahr 2026 wieder anzubieten.


Soziale städtische Einrichtungen

Im Rahmen der Haushaltsberatungen haben wir uns dafür eingesetzt, dass wichtige soziale Einrichtungen wie die Wärmestube, die Übernachtungsstelle oder auch der Kinderschutzbund und Schuldnerberatung weiterarbeiten können, auch wenn es zu Reduzierungen des Zuschusses kommt.


Schulen

Unser besonderes Augenmerk gilt den Ausgaben für Schulen, Bildung und Betreuung, so werden im Jahr 2025 sowohl die 10. Grundschule als auch die Erweiterung und Sanierung an der Haubenschloss-Schule fertiggestellt. Die Erweiterung des Carl-von-Linde-Gymnasiums und ist nun in der Spur, nachdem immerhin einige Einsparungen gefunden werden konnten. Weitere Klassenzimmer an verschiedenen Schulen sind geplant. Die Finanzierung zahlreicher dringend benötigter schulischer Baumaßnahmen wie u.a. die neue Grundschule für Heiligkreuz ist noch vollkommen unklar, obwohl diejenigen Kinder, für die wir den Schulraum dringend benötigen, bereits geboren sind oder in Kürze die Halde Nord bewohnen werden.


Systemversagen

Die Diskrepanz zwischen Kosten und zur Verfügung stehenden Finanzmitteln offenbart in meinen Augen ein Systemversagen auf dem Rücken der nachfolgenden Generation. Es ist ja nicht nur so, dass diese Generation aktuell darunter leidet, dass Fachkräfte fehlen, dass sie auf Betreuungsplätze und Klassenzimmer wartet. Die kommende Generation muss später auch noch die Kredite tilgen, die nun im Haushalt 2025 mit rund 28 Mio. EUR vorgesehen sind. Nach dem aktuellen Finanzplanungs-Zeitraum bis Ende 2028 würde sich der Schuldenstand sage und schreibe 119 Mio. EUR betragen. Damit würde die von uns definierte Gesamtverschuldungsgrenze klar und deutlich überschritten. Es muss sich daher in den kommenden Monaten und Jahren strukturell etwas ganz deutlich ändern, um dieser drohenden Verschuldung entgegenzuwirken und kommende Generationen nicht zu überein verträgliches Maß hinaus zu belasten.


Selbstdisziplin

Der Karren steckt tief im Sumpf fest und heraus kommt er nur durch Disziplin, und die Bereitschaft, neue Weg zu denken und dann auch zu gehen. Niemand erwartet den wundersamen Bau einer Kathedrale wie in Paris, aber wir erwarten einen verantwortungsvollen und stringenten Einsatz der zur Verfügung stehenden Finanzmittel. Dazu gehört auch Selbstdisziplin, wenn es um den Verwaltungshaushalt geht, Selbstdisziplin bei Stellenschaffungen und Selbstdisziplin bei der Durchführung von kostenkritischen Baumaßnahmen.


Mäßigung

Gleichzeitig wünsche ich mir Maßhalten im Falle von Kürzungen, die mehr Schaden anrichten als letztlich Geld einsparen.

Unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen ist der Haushalt 2025 ein zwar vielfach schmerzhafter Finanzplan, doch er ist intensiv abgewogen und in starkem Ringen um einen gangbaren Weg mehrheitlich begutachtet worden.

Ich möchte daher zum Abschluss den Kolleginnen und Kollegen aus dem Haupt- und Finanzausschusses danken, aber ganz besonders auch den Bürgerinnen und Bürgern, die unsere Finanzen erwirtschaften und mit den Einschnitten des Haushalts 2025 leben müssen.

Die FREIEN WÄHLER stimmen dem Haushalt 2025 der Stadt Kempten zu.