Dies ist die mehrheitliche Position der Freien Wähler Kempten-ÜP. In guter Tradition der Freien Wähler ist niemand an seiner eigenen Meinung gehindert – und so gibt es auch Befürworter des Projekts in unseren Reihen.

 

(1) Städtebauliche Verträglichkeit

Die Gondeln im Zuge von Hauptverkehrsachsen mögen optisch kein großes Problem sein. An einigen Stellen werden diese aber über bestehenden Bauwerken schweben müssen, so dass die Seilbahn dort tatsächlich in 30-40 m Höhe schweben müsste.

Die Darstellung bzw. Vorstellung von schlanken Seilbahnstützen wie in der AZ vom 23.04.2019 ist unrealistisch: Stützen dieser Höhe brauchen eine entsprechend breite Abstützung und daher eine sehr große Grundfläche.

Die bisherige Darstellung des Projektes ignoriert das Hauptproblem:

An allen Stationen sind ca. 8-10 Stockwerken entsprechende massive Bauwerke für den Ein- und Ausstieg, entweder für einen relativ großen Aufzug (Kinderwagen- und Fahrrad-Mitnahme), Treppenhaus, Wartefläche usw. oder zur Überwindung des Höhenunterschiedes  durch die Gondeln selbst nötig, sprich: An mindestens  acht Stellen der Innenstadt Jeweils ein ca. 10-stöckiges Hochhaus als Zustiegsbauwerk!

Ob die dafür notwendigen Grundstücksflächen jeweils verfügbar sind, ist an einigen Standorten zu bezweifeln, noch viel mehr die städtebauliche Verträglichkeit.

 

(2) Eignung zur Lösung von Problemen des ÖPNV

Die Idee mag touristischen Reiz haben und auch für Besucher der Stadt die sinnvolle Möglichkeit eröffnen, sich die Innenstadt ohne Kfz. zu erschließen. Zudem ließe sich der Zugang zum APC und zur Burghalde deutlich erleichtern.

Es darf aber bezweifelt werden, ob ein solches Projekt vorrangig für touristische Zwecke sinnvoll und finanzierbar wäre.

Eine zukunftsträchtiges Projekt erfordert daher zwingend eine deutliche Verbesserung des ÖPNV-Angebotes für Bewohner der Stadt Kempten und Pendler.

Ob die angedachte Ring-Seilbahn hier einen gravierenden Mehrwert bietet, ist sehr zweifelhaft:

  • Es wird nur das um Bahnhof und Hochschule erweiterte Zentrum erschlossen.
  • Für Bahnreisende eröffnet sich so zwar eine schnelle Verbindung zur Innenstadt.
  • Der Umstieg wäre aber in jedem Fall weder höhengleich noch in unmittelbarer Nähe des Bahnsteiges möglich. Weite Wege zum Umstieg machen das Angebot aber zumindest für Bahnpendler unattraktiv.
    Schon im Rahmen der Studie zu einer Regionalbahn waren sich Experten einig, dass diese für Pendler nur ohne Umstieg oder bei Umstieg am selben Bahnsteig attraktiv genug wäre.
  • Für Kfz-Pendler wäre Park+Ride mit einem Umstieg auf die Seilbahn möglich am nördlichen Rand der Innenstadt (Rottachstraße) und evtl. am südlichen Rand der Innenstadt (Bahnhof bzw. Bahnhofstraße), wo allerdings Kapazitäten erst noch geschaffen werden müssten.
    Allerdings wäre das nur für Pendler attraktiv, die im Zentrum arbeiten und am Arbeitsplatz keinen eigenen PKW-Parkplatz zur Verfügung haben.
    Für alle anderen Arbeitsstätten gilt: Ein erneutes Umsteigen in den Bus bzw. längere Fußwege von einer Seilbahnstation zur Arbeitsstätte sind in einer Stadt von der Größe Kemptens definitiv nicht attraktiv.
    Auch für die vielen Pendler, die in Gewerbegebieten oder anderen Stadtteilen arbeiten, bringt die Seilbahn keinen Mehrwert.
  • Einen großen Mehrwert könnte eine Seilbahn für Kfz-Pendler allenfalls bieten, wenn sie große Park-Ride-Plätze am Stadtrand direkt mit dem Zentrum und mit Gewerbegebieten verbindet.
    Das sieht die Projektidee allerdings nicht vor. Das wäre wohl auch wirtschaftlich und städtebaulich kaum realisierbar.
  • Attraktiv könnte eine Seilbahn zunächst für Besucher sein, die im Zentrum einkaufen wollen.
    Allerdings bieten die Parkmöglichkeiten am Forum/Allgäuhalle und Rottachstraße heute schon einen problemlosen Einstieg in die Innenstadt.
    Zusätzlichen Komfort zur Überbrückung kurzer Strecken beim Einkaufsbummel böte eher ein Elektro-Kleinbus-System oder ein Bähnlein wie während des Weihnachtsmarktes, die –  im Gegensatz zur Seilbahn - jeweils auch zielgenau Bahnhofstraße, Kronenstraße, Rathausplatz und Hildegardplatz mit erschließen könnten.
  • Das Gleiche gilt für Buspendler. Seit längerem werden dezentrale Bus-Knotenpunkte an der Rottachstraße, am Adenauerring sowie am Hauptbahnhof diskutiert. Ist ein Umstieg von Bus zu Bus gerade noch zumutbar, so vermindert ein mehrfaches Wechseln des Verkehrsträgers (Bus-Seilbahn-Bus) ganz entscheidend die Attraktivität der ÖPNV-Verbindungen.
  • Mangels Erschließung der Stadtteile müssten Kemptener weiterhin zunächst Stadtbusse nutzen, um dann im Zentrum auf die Seilbahn umzusteigen. Umsteigeverbindungen sorgen bereits jetzt für fehlende Attraktivität des ÖPNV.
    Zwar böte die Seilbahn jeweils einen sofortigen Anschluss ohne Wartezeiten. Der Umstieg vom Straßenniveau auf Seilbahn-Niveau wäre allerdings deutlich weniger komfortabel als ein Umstieg von Bus zu Bus.
  • Wer von einem Stadtteil in einen anderen Stadtteil möchte, müsste sogar zweimal auf ein jeweils anderes Höhenniveau umsteigen.
    Ein deutlicher Mehrwert wäre nur gegeben, wenn auch Stadtteile wie z.B. Thingers, Halde und Halde Nord, Stiftallmey und Steufzgen, Bühl und Ostbahnhof, Lenzfried, Ludwigshöhe, St. Mang und das Gewerbegebiet Ursulasried mit angebunden wären.
    Das erscheint jedoch wirtschaftlich und städtebaulich kaum realisierbar.

 

(3) Wirtschaftlichkeit

Belastbare Schätzungen liegen nicht vor:

  • zu den Baukosten
  • zur Finanzierung
  • zur möglichen Förderung
  • zu den laufenden Betriebskosten und
  • zu den erzielbaren Erlösen

 

(4) Rechtliche Probleme

Deutlicher Widerstand ist von Anliegern und Grundstückseigentümern ist beim Überfahren von Privatgrundstücken zu erwarten.

Verschattung und Lärmemissionen erfordern aufwendige Gutachten und noch aufwendigere Schutzmaßnahmen zum Schutz der Anlieger.

Für die Seilbahnstützen und die Zustiegsbauwerke sind erhebliche innerstädtische Grundstücksflächen erforderlich. Sowohl was die baurechtliche Zulässigkeit als auch den Erwerb notwendiger Grundstücke betrifft, sind massive Probleme zu erwarten, die den Bau stark verzögern bzw. vereiteln würden.

 

(5) Gravierende Verzögerung beim Mobilitätskonzept 2030

In jahrelangen Arbeitsgruppen und in Zusammenarbeit mit Experten hat die Stadt Kempten das Mobilitätskonzept 2030 entwickelt und beschlossen.

Die dort festgeschriebenen Ziele eines besseren Radverkehrsangebots und eines attraktiveren ÖPNV-Angebots durch eine bessere Benutzerfreundlichkeit, eine bessere Netzgestaltung und eine attraktivere Taktung stellen eine Mammutaufgabe dar, die es erfordert, schnellstmöglich Verbesserungen anzupacken.

Eine Seilbahn würde eine grundlegende Neubewertung und Überarbeitung des Mobilitätskonzeptes und des Nahverkehrsplanes 2018 nach sich ziehen.

Die Folge wäre, dass nötige und bereits jetzt mögliche Maßnahmen auf Jahre nicht umgesetzt, sondern auf die lange Bank geschoben würden. Folge einer vermeintlich revolutionären Idee wäre daher jahrelanger Stillstand ohne Verbesserung der Mobilitätssituation in Kempten.

 

(6) Alternativen

Die touristischen Chancen einer Seilbahn sollten nicht aus den Augen verloren und sowohl die technische, rechtliche und wirtschaftliche Realisierbarkeit sollte geprüft werden auf einer Strecke, auf die touristischen Anforderungen ausgerichtet ist (z.B. Erschließung APC).

Schon jetzt ist aber absehbar, dass eine Seilbahn eine deutlich starrere und unflexiblere Lösung wäre als die vielen neuen Möglichkeiten, die sich im Bereich des ÖPNV abzeichnen.

Zielführender ist es daher, sich auf solche zukunftsfähigen Maßnahmen zu konzentrieren. Beispiele hierfür:

  • Wiedereinführung einer im 5-Minuten-Takt verkehrenden Querschnittsbuslinie entsprechend der Linie P (»Pendler«) in den 1970er- und 1980er-Jahren auf der Strecke Hbf-ZUM-Residenzplatz
  • Verkürzung der Fahrtzeiten, z.B. durch Einführung einer Busspur auf der Strecke Hbf-ZUM-Residenzplatz
  • Verbesserung des Busnetzes durch Einrichtung von dezentralen Umsteigeknoten, z.B. am Adenauerring, Rottachstraße, Hauptbahnhof.
  • Verbindung dieser Umsteigeknoten durch eine Ringlinie
  • Einsatz für ein Pilotprojekt »autonomes Fahren«, z.B. zunächst auf der Strecke Hbf-ZUM-Residenzplatz mit späterer Ausweitung auf die innerstädtische Ringverbindung und auch Linien in Stadtrandgebiete.
    Das autonome Fahren wird schon in wenigen Jahren die Möglichkeiten des ÖPNV revolutionieren. Die ersten autonomen Kleinbusse sind schon im Einsatz!
  • Städtische Förderung von Elektrobussen auf den Buslinien der Mona in Kempten.
  • Für eine Vorzeigestadt im Klimaschutz wäre ein verstärktes Bemühen um emissionsfreie Busse notwendig.
  • Radschnellverbindung Hauptbahnhof-Wiesstraße-Königstraße-ZUM-Residenzplatz wie schon mehrfach von uns beantragt Verstärkter Radwegeausbau z.B.Bahnhofstraße
  • iEinrichtung von Park+Ride-Parkplätzen am Stadtrand mit attraktiven Busverbindungen in die Innenstadt
  • Beim Park-Ride-Ausbau Flächenverbrauch minimieren durch Parkhäuser, diese zugleich attraktiver machen durch Zusatzangebote vor Ort
  • Busnutzung attraktiver machen durch kürzere Taktung
  • Busnutzung attraktiver gestalten durch bessere Fahrplangestaltung
  • Busnutzung attraktiver machen durch attraktive Tarife
    • 1 €-Ticket am Samstag (mehrfach von uns beantragt)
    • 365 €-Jahresticket inkl. Parken auf R+R-Parkplätzen
    • kostenfreie Busnutzung für Kinder, Jugendliche und Azubis

 

SCHLUSSFOLGERUNGEN

  • Die Idee einer Seilbahn könnte vor allem im touristischen Bereich sinnvoll sein.
    Sie sollte daher für APC und Burghalde weiterverfolgt werden.
  • Eine deutliche Verbesserung des ÖPNV ließe sich mit vergleichbaren Mitteln besser mit neuen Ideen auf bestehenden Verkehrswegen am Boden verwirklichen.
  • Die übrigen Ziele des Mobilitätskonzeptes 2030 dürfen nicht aus den Augen verloren werden und müssen zügig angegangen werden